
Wer von euch ist schon mal in den Urlaub nach Afrika geflogen? Ihr werdet euch bestimmt noch an den gelben Impfpass erinnern, den ihr besorgen solltet: Das Dokument dient als Nachweis für die Impfungen, die eine Person im Laufe seines Lebens erhalten hat, diese sollten einem von den Krankheiten, die es in Afrika geben könnte, schützten.
Von der Gelbfieberimpfung, die bei den meisten Kindern Pflicht ist, bis zu zusätzlichen tropenmedizinischen Impfungen, wie gegen Cholera. Auch die Vorbeugemaßnahmen gegen Malaria werden gefördert. Dagegen benötigen Afrikaner zur Einreise in den europäischen Schengen-Raum eine Reisekrankenversicherung inklusive mehrere Gesundheitschecks.
Die Corona-Krise dreht nun den Spieß um. Alle Länder schließen Ihre Grenzen, auch die afrikanischen Länder. Bisher gibt es in Afrika nur wenige Corona-Fällen, wobei fast alle Infektionen südlich der Sahara nachweislich von Einreisende aus Europa und Amerika eingeschleppt wurden.
Reisende aus Europa, Amerika und Asien sind für ganz Afrika Risikofälle. Afrikanische Rückkehrer aus Risikoländern müssen in die Quarantäne und für Nicht-Afrikanische Besucher, die bereits in Afrika sind, laufen Ruckholaktionen von den Heimatländern.
Die afrikanischen Staaten handeln jetzt zum Schutz der eigenen Bevölkerung routinierter, entschlossener und drastischer als je zuvor. Ein Ausbruch des Virus kann angesichts der Mangel an allgemeiner Gesundheitsversorgung verheerend sein. Viele Lehren und Erfahrungen aus dem Kampf gegen Ebola, Cholera und Malaria sind ein Weckruf für eine neue Pandemie in Afrika.
Einheimische in Afrika hoffen jetzt, dass Politiker und Eliten, die sich sonst im Ausland medizinisch behandeln ließen, die Mängel und Probleme der heimischen Krankenhäuser und des Gesundheitssystems erkennen werden und sich um eine Verbesserung kümmern, denn, nun wo alle Grenzen für alle geschlossen bleiben, müssen die Politiker und Eliten im Land sich in den eigenen Ländern behandeln lassen.
Case Study Simbabwe:
Die Gesundheitsversorgung in Simbabwe ist momentan angesichts der Dürre, der Misswirtschaft und des Zyklon Idai sehr schlecht. Die immer wiederkehrende Dürre in Simbabwe bedroht die Existenz vieler Landwirtschaftler und das Leben vieler Tiere. Außerdem steht das Land seit der Unabhängigkeit unter unzähligen Sanktionen, was zur einen langanhaltenden ökonomischen Stagnation führt. Naturkatastrophen, wie der tropische Wirbelsturm Idai, verschlechtern die Situation im Land. Idai verursachte heute vor einem Jahr in vielen Teilen Ost-Simbabwes erhebliche Überschwemmungen und Schlammlawinen. Während sich die Zugangssituation und das Leben langsam davon erholen, sind viele Straßen und Brücken in den betroffenen Gebieten immer noch unpassierbar. Strom- und Wasserversorgung sind weiterhin betroffen.
All das hat einen Einfluss auch auf das Gesundheitssystem im Land. Die Ärzte haben letztes Jahr (2019) 3 Monaten lang wegen schlechter Bezahlung und mangelnder Ausstattung gestreikt. Krankenhäuser sind beständig unterversorgt, während bei Arzneimitteln, vor allem in den meisten ländlichen Regionen, immer wieder zu Engpässen kommt. Nun werden zur Behandlung Covid-19, wie in allen anderen Ländern auch, Handschuhen, Gesichtsmasken, Desinfektionsmittel und Ventilatoren gebraucht, die Intensivstationen sind aber dafür nicht so richtig ausgestattet. Kein Wunder also, dass das Personal sich dort unsicher fühlt.
Um den Virus erfolgreich zu bekämpfen, sollen Covid-19 Patienten in Simbabwe nur in einem Krankenhaus, das Wilkins Hospital in Harare (Infectious Diseases Hospital), behandelt werden. Nun sind aber die meisten Verdachtsfälle in verschiedenen Tourismusecken von Simbabwe festgestellt worden, z.B. in Victoria Falls im Westen des Landes oder im Osten in den Eastern Highlands, alle weit weg vom Wilkins Hospital. Und dann taucht eine Problematik auf: Ist die Isolation und der Transport der Patienten auf eine Strecke von über 600km Strecke reibungslos möglich? Und wie schnell können die Testergebnisse veröffentlicht werden, wenn die Diagnose nur in der Hauptstadt möglich ist?
Nach dem Todesfall (24.03.20) des ersten Covid-19 Patienten, (ein renommierter Journalist, der vor der Erkrankung sich in New York aufgehalten hat) in Simbabwe wurde gemeldet, dass eine weitere dritte Person auf Sars-Cov-2 positiv getestet wurde, beruhigende Zahlen würde man sagen, aber bei nur 15 Tests, ist es zu erwarten, dass nur wenige Fälle positive getestet werden.
Zum Todesfall gab es nicht einstimmende Aussagen vom Gesundheitsminister und von den offiziellen Medien. Die Familie des Toten beklagte mangelnde Versorgung im Wilkins Hospital, vor allem fehlt es offensichtlich an funktionsfähige Beatmungsgeräte.
Nicht nur die mangelnde medizinische Grundversorgung stellt die afrikanischen Länder vor eine besondere Herausförderung dar, sondern auch die mangelnde Berichterstattung. Es gibt in Zimbabwe nur einen öffentlichen rechtlichen Fernsehersender, deswegen verbreiten sich in Zeiten vom Internet erstmal Panik, unwahre Gerüchte z.B. über Immunität der Afrikaner gegen das neue Virus und weitere nicht wissenschaftlich bestätigte Handlungsmöglichkeiten, bis die offiziellen Behörden sich gemeldet haben. Es dauert manchmal Stunden, wenn nicht Tagen bis eine offizielle Meldung des Gesundheitsamts oder der richtigen Behörde die Bevölkerung erreicht. Bis dahin fragen sich die Menschen, ob Ihnen was verweigert oder was vertuscht wird, wobei es auch sein kann, dass es einfach dauert bis alle Informationen von den verschiedenen Städten und Dörfern nach Harare übertragen werden. Genauso wie hier in Deutschland stimmen die Zahlen des Robert Koch Instituts nicht mit denen der Johns-Hopkins-Universität überein, weil die Ermittlung, Verarbeitung und Veröffentlichung der Daten unterschiedlich abläuft und daher länger dauert. Der WDR, SWR, BR oder HR können hier in Deutschland vor Ort sein, um in Minutentakt, wenn nicht mit Live-Ticker zu berichten und die Bevölkerung über Beschlüsse der jeweiligen Bundesländer oder Gemeinde zu informieren.
Ein anderes Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit in Simbabwe. Über 60 Prozent der Bevölkerung arbeitet in inoffiziellen Jobs und verkauft eigene Güter, Gemüse oder Obst, was für die Eindämmung sehr schwer wird, denn damit wäre das Homeoffice oder Ausgangssperre schwer, wenn überhaupt umsetzbar. Die Straßenhändler haben bereits ihre Bananen und Avocados geerntet, dürfen diese aber gar nicht auf den Märkten verkaufen, das Obst oder Gemüse geht schlecht und die Farmers und Gemüsehändler können Ihre Familien nicht ernähren. Sollte eine Ausgangssperre verhängt werden, ist die Existenz, die Lebensgrundlage der Straßenhändler und Farmers, also eines großen Teils der Bevölkerung, ernsthaft bedroht.
Wie gut das Social Distancing umzusetzen ist, bleibt auch ein Rätsel. Auch Aufgrund der Kultur in Simbabwe (oder allgemein in Afrika). Das beginnt schon mit der größeren Familienkonstellation. Ich bin selbst mit den Kindern meiner Elterns Geschwister aufgewachsen, ich habe mit denen gewohnt, sodass die Familien allgemein großer sind. Die Familie teilt ihre Habe aus Großzügigkeit, Religiosität, Tradition und um sich zu schützen. Arme, Kranke und Waisen werden in der Familie aufgefangen.
Allerorten begegnet man in Simbabwe teilweise (auch allgemein in Afrika) Zauberei Wunderheiler, Geisterjäger und Aberglaube. Man kann sich vorstellen, dass diese auch konsultiert werden bezüglich des Coronavirus. Sind die traditionelle Geistige im Kampf gegen das Coronavirus überhaupt vorbereitet bzw. ausgerüstet, kennen sie sich aus mit den Schutzmaßnamen? Es bleiben viele offene Fragen in diesen Zusammenhang.
Zwar fanden Anfang der Pandemie Gesundheitskontrollen im Flugverkehr statt, insbesondere bei Flügen aus den Risikogebieten, doch die Selbstquarantäne wurde offensichtlich von den ruckkehrenden Einheimischen unterschätzt, so kam es auch zu dem Todesfall. Auch ein britischer Tourist, der sich eigentlich für 2 Wochen hätte sich in Selbstquarantäne begeben mussen, wurde erst nach seiner Rückkehr in England, positiv auf das Virus getestet.
Afrika im Allgemeinen
Die Afrikanische Länder weisen im vergleich noch erstaunlich geringe COVID-19 Fällen auf.
Ein Extrakt von paar afrikanische Ländern aus der Johns-Hopkins-University COVID-19 Interactive Map verrät (Stand 14.04.2020) folgende Zahlen:
- Lesothos: 0
- Guinea-Bissau: 2
- South Sudan: 4
- Burundi: 5
- Gambia: 9
- Central African Republic: 11
- Simbabwe: 17
- Chad: 23
- Eritrea: 24
- Libya: 26
- Sudan: 29
- Somalia: 60
- Mali: 123
- Burkina Faso: 515
- Egypt: 2190
- Morroko: 1838
- South Afrika: 2272
Es sind im Vergleich sehr niedrige Zahlen, die sich wiederum schwer erklären lassen. Ich versuche es mal so zu interpretieren:
- Bleiben wir zuerst positive! Nachdem China und die meisten europäischen Länder über Corona und die Gefahr eines Ausbruchs berichtet hatten und die Grenzschließungen gut funktioniert haben, könnten schon die meisten Fälle aufgrund der eingeschränkten Mobilität minimiert worden sein. Lesotho im Süden Afrikas hat als erstes Land vor allen anderen afrikanischen Ländern die Grenzen zugemacht. Bisher gibt es dort keine Fälle und es kann auch an deren strikten und rechtzeitig umgesetzten Grenzschließungen und Strategien liegen.
- Nun habe ich auch geschaut wieviel Prozent der weltweiten Gesundheits-auskünfte* und Daten allgemein aus Afrika kommen. Der afrikanische Kontinent trägt nur zwei Prozent dazu, obwohl 16 % der Weltbevölkerung in Afrika lebt. Das wirft viele Fragen auf. Sind noch nicht alle durchgeführten Tests (Stand 14.04.2020) ans Johns-Hopkins-Universität übermittelt worden? Oder werden relevante Daten, Zahlen und Fälle aus diesen Ländern nicht vollständig in die Weltdatenbank gefasst? Wie bei den allgemeinen Gesundheitsauskünften?
- Sind einfach wegen mangelnder Test-Kits keine oder nur wenige Tests durchgeführt worden?
- Oben unter den Ländern mit den ganz geringen Zahlen sind auch Länder, die im Krieg oder in einer Krise sind. Sudan und Burkina Faso gehören, wie die anderen Sahel Staaten, zu Staaten, wo Terroristen den Staat und die Gesundheitsinfrastruktur lahmlegt haben. Ist es in diesen Ländern überhaupt möglich, alle Fälle zu identifizieren und zu übermitteln?
Alle dies sind Fragen, die ich selbst nicht genau beantworten kann.
Die Krankheit Covid-19 darf sich in Afrika nicht wie in Europa oder in den USA ausbreiten, so wäre das Gesundheitssystem, Personal und die Bevölkerung selbst überfordert. In Afrika gibt es mehrere Infektionskrankheiten, die nicht einfach zu bekämpfen sind, z.B. an Malaria sterben jährlich ca. 400.000 Menschen, nun weist das Corona-Virus im früheren Stadium ähnliche Symptome und es gibt kaum Test-möglichkeiten, all das macht die Diagnose und Behandlung noch schwieriger und unspezifischer.
Der größte Teil der Bevölkerung Afrikas ist jung – das Durchschnittsalter liegt unter 20 Jahren -, in den ländlichen Regionen herrscht Unterversorgung des Gesundheitswesens, das bedeutet, wer an Covid-19 erkrankt, wird möglicherweise davon nicht wissen, entweder, weil er aufgrund des Alters keine Symptome aufweist oder weil es wegen fehlender Tests nicht in Erfahrung gebracht wird.
Auch die Erinnerungen an Ebola sind noch präsent. Vor paar Wochen wurde der letzte Patient freigelassen, man kann nur hoffen, dass die Infrastruktur im Westen Afrikas noch steht und für die neue Seuche benutzt werden kann. Der Kampf gegen Ebola, einen viel tödlicheren Virus als Corona-Virus, wurde durch lokales Gesundheitspersonal mit einem leidenschaftlichen, riskanten, entschlossenen Einsatz und mit Hilfe der Forschung aus Europa, Amerika und Asien erfolgreich bekämpft. Also durch den solidarischen Einsatz der ganzen Welt.
Die Corona-Krise sollte alle Staaten zur Verminderung der Seuche weltweit zusammenbringen. Nicht nur jetzt in Zeiten des Hashtags oder wo das Thema im Trend ist und sogar in das Instagram-Filter eingearbeitet wurde, sondern solange dieses Virus existiert, zusammen mit den Staaten die benachteiligt sind und schlecht gegen das Virus gehen können.
Diese Situation sollte auch eine positive Lehre für die Politik in Afrika sein, es gibt viele qualifizierte Ärzte in Afrika, ohne gute Technik, medizinische Geräte und nur wenige Arzneimittel. Die Krankenhäuser sind großenteils staatlich, auch die Ausbildung als Arzt oder Apotheke in Simbabwe ist nur an den staatlichen Universitäten möglich. Alle diese Puzzleteile müssen gesammelt werden und mit den anderen passende Teilen vernünftig verknüpft werden, um ein erfolgreiches, starkes Gesundheitssystem in den afrikanischen Ländern umzusetzen, nicht nur in Zeiten des Corona-Virus sondern langfristig.
